Neben Vulkanen und Gletschern sind vor allem die Vogelkolonien Islands berühmt. Und ganz besonders begeistern die ikonischen Papageientaucher, quasi die Wappenvögel Islands. Zwar sind sie im Nordatlantik weit verbreitet, ihr Schwerpunkt mit den meisten Brutpaaren liegt aber tatsächlich auf Island. Zunächst beeindruckten uns allerdings Eiderenten, im Rest Europas inzwischen selten geworden und oft schwierig zu beobachten. Hier schwammen sie völlig entspannt zwischen den Eisbrocken auf dem Jökulsarlon umher.
Eiderenten auf der Jökulsarlon Lagune.
Wunderschöne Vögel mit geradezu exotischem Flair. Bei uns längst selten geworden.
Papageientaucher (auch Papageitaucher) verbringen den größten Teil des Jahres (September bis April) auf dem Meer, die isländische Population großteils vor den Küsten Neufundlands. Im April kommen die ersten Taucher zurück auf die Insel. Die Paare sind oft für mehrere Brutperioden zusammen und treffen sich zur Balz vor dem Abflug ins Brutgebiet. Papageientaucher gibt es auf Island überall, wo über dem Lavagestein küstennah eine genügend dicke Erdschicht liegt, um Bruthöhlen dicht am Wasser anzulegen. In geeigneten Gebieten ist der Boden bald dicht durchlöchert. Man muss also nicht lange suchen. Wir entschieden uns für die kleine Kolonie in der Börgarfjördur Bucht bei Bakkagerdi.
In diesem Jahr (2024) spielte das Wetter leider nicht mit und oft machten lange Regenperioden Fotografieren unmöglich. Doch sobald es aufklarte, boten die putzigen, immer leicht sorgenvoll dreinschauenden bunten Clownstaucher wunderbare Motive. Die Tiere sind Menschen gegenüber sehr vertrauensselig. Verständlicherweise müssen deshalb manchmal Absperrungen angelegt werden, damit die Vögel nicht ständig gestört werden.
Die Konkurrenz um die Erdlöcher ist anfangs heftig, was vor allem die Männchen fordert, weil sie größer und stärker als die Weibchen sind. Ein wenig Pflanzenmaterial genügt, um ein rudimentäres Nest zu bauen – Schutz vor Witterung und Feinden bietet die manchmal meterlangen Röhre, die in eine kleine Nisthöhle mündet.
Einige Bauten liegen direkt an den Absperrungen – was die Vögel nicht zu stören scheint. Man konnte in einigen Fällen aus einem Meter Entfernung in die Höhle schauen! Nur auf Galápagos habe ich ähnlich zutrauliche Vögel erlebt. Die Partner brüten abwechselnd und beide tragen Futter ein. Über der Kolonie herrscht reger Flugverkehr! Das führte zu durchaus sportlichem Einsatz um aussagestarke Flugbilder zu bekommen. Man konnte gar nicht aufhören, der nächste Anflug war immer noch vielversprechender. Immerhin gab es wenigstens ein paar Stunden halbwegs erträgliche Wetterverhältnisse bei der Kolonie (wir hatten dafür volle 3 Tage eingeplant!)
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Die lange Tageszeit und der Fischreichtum ringsum bieten beste Brutbedingungen und Papageientaucher werden seit Jahrzehnten nicht mehr kommerziell bejagt. Nur noch zur „Traditionspflege“ werden wenige Lizenzen vergeben. Trotzdem gelten die Taucher mittlerweile als bedroht, da die Bestände im Nordatlantik insgesamt zurückgehen.
Juli und Anfang August sind überall auf Island Seevögel am Füttern, darunter auch Küstenseeschwalben, die man ja auch noch häufig an den Nordseeküsten findet. Die Seeschwalben treiben keinen Aufwand um ihre Nester, kleine Mulden in spärlichem Gras genügen. Im Vergleich zu den Massen der Papageientaucher bilden sie vergleichsweise kleine Kolonien, manchmal auch dicht bei Siedlungen (2023 fotografierte ich sie auf der Reykjanes Halbinsel in einer Kolonie auf einem Friedhof).
Fütterung auf einem Friedhof (Reykjanes Halbinsel)
Besonders berühmt sind die Seevogelkolonien bei Latrabjarg, an der westlichsten Spitze Europas. Die senkrechten Felswände bieten hunderttausenden von Lummen und Dreizehenmöwen Schutz. Auch hier kommen natürlich Papageientaucher vor, aber sie sind nicht so gut zu fotografieren wie an weniger hohen Klippen. Auch hier wurden jahrhundertelang die Nester systematisch ausgeräumt, indem Wagemutige sich an den Klippen abseilten. Uralte Vulkanausbrüche bauten die Wände Lavaschicht für Lavaschicht auf – und zwischen jeder neue Lage bietet sich der Erosion Angriffsfläche. So entstanden schmale Bänder in der Wand, auf denen sich Lummen zusammendrängen. Pro Quadratmeter können es schon mal 20 Nester sein! Die Dreizehenmöwen bevorzugen dagegen winzige Vorsprünge, die ihnen dann aber allein „gehören“.
Latrabjarg ist sehr abgelegen und auf teilweise schlechten Straßen mühsam zu erreichen. Für mich war es aber endlich mal die Gelegenheit die überquellende Vitalität der Brutklippen zu erleben. In unserer Zeit leider keine Selbstverständlichkeit, dass es solche Naturwunder noch gibt.