Dreharbeiten in Masai Mara, April/Mai 2022
Die Koalition der fünf Löwenbrüder, die ich seit ihren ersten Lebenswochen im September 2017 verfolgen konnte, tat mir bei den bisherigen Drehs noch nicht den Gefallen, sich in allen Punkten an mein Skript zu halten, sich also als „richtige“ Revierlöwen niederzulassen und ihren Job als Jäger der Büffel standesgemäß auszufüllen. Das erforderte also einen weiteren Regenzeitdreh, denn nur in der nassen Zeit hat man eine relativ sichere Chance, sie in ihrer epischen Auseinandersetzung mit den massigen Wildrindern zu erleben. Was wieder oft die hohe Kameramontage auf dem Dach erforderte, um im Gras den Überblick zu behalten. Leider keine schöne Perspektive und sehr wacklig bei Windböen. Aber was soll man machen.
Diesmal waren die Löwen tatsächlich kooperativ, wobei der Verband eine unerwartet kompexe Zusammensetzung bekommen hatte und es zu verwirrenden Interaktionen zwischen Mitgliedern, Halbmitgliedern und Ex-Mitgliedern kam. Das wird den Filmen viele Erzählinien bieten, manchmal krumm, manchmal verschlungen – wie im richtigen Leben eben. Aber die Zuschauer werden sich nicht langweilen, in der Hinsicht erfüllten die Brüder wirklich alle Erwartungen. Leider war einige Wochen vor dem Dreh Olosiadu verschwunden: Der bedächtige, immer etwas zögerliche Löwe, der aber durchaus zur Gesamtstärke der Bruderschaft beitrug. So ging die Geschichte eben nur mit vier Hauptdarstellern in die letzten Kapitel.
Verwandtschaftskonflikte
Die Regenfälle waren im April glücklicherweise überschaubar; es hatte sich schon im Februar und März massiv abgeregnet. Das Gras stand also wie erwartet meterhoch, aber der Boden war meistens gut befahrbar. Im letzten Juni hatten die fünf Männchen drei Löwinnen am Rongai „übernommen“ und deren Revier ihrem bisherigen großen Streifgebiet zugeschlagen. Sie waren nun richtige Revierhalter mit allem Drum und Dran: Brüllorgien, Markierungen, Konkurrenz zu Nachbarn. Zu den drei übernommenen Löwinnen gehörten ein junger Sohn und drei subadulte Töchter, wobei letztere den neuen Revierherren durchaus willkommen waren. Was man von dem jungen Männchen, das noch nicht alt genug für die Selbständigkeit war, nicht sagen konnte – es wurde bei jeder Gelegenheit gemobbt und vertrieben, auch wenn seine Mutter es immer wieder heroisch verteidigte. Zu meiner Verblüffung hielten sich neben diesen Jungtieren auch noch vier Subadulte in Revier auf: Die jüngeren Geschwister der Vier, die ihren Müttern nicht zurück zu den Black Rocks gefolgt waren. Das brachte immer wieder Verwicklungen mit sich: Diese Verwandtschaft war nicht willkommen – die jungen Männchen sind einfach nur Futterkonkurrenten und mit ihren jungen Schwestern haben die vier Paschas natürlich keine Familienplanung im Sinn.
Buchstäblich in den letzten Minuten des letzten Drehs zu dem Projekt kam die lange erhoffte Nachricht, die ich mir dringend für den Abschluss der Filme gewünscht hatte: Es gab winzige Säuglinge im Rudel! Nachdem die Koalition in ihrem ersten Jahr als Revierverteidiger nur einen Wurf hatte, von dem dann auch nur ein einziges Junges überlebte, war die Entwicklung der vier Brüder nicht unbedingt eine große Erfolgsgeschichte, mögen sie soviele Büffel umbringen wie sie wollen. Natürlich kann man schnitttechnisch ohne weiteres irgendwelche Jungen montieren und hymnisch besingen, aber das wäre mir schal vorgekommen. Für mich liegt ein großer Teil des Reizes dieses Projektes darin, dass die Entwicklung der fünf Brüder authentisch dokumentiert werden konnte. Und nun hatte ich sie tatsächlich, fünf Junge in zwei Würfen. Ihre Mütter waren in den letzten Tagen selten zu sehen gewesen, aber bei der Atemlosigleit der vielen Actionaufnahmen war das untergegangen. Monika Braun, die Managerin des Matira Camps, drehte die Jungen, während ich schon meine Ausrüstung im Camp für den Transport demontierte.
Leider ließen die Bilder sich nicht mehr überzeugend in den Ablauf einarbeiten. Aber ich konnte die Arbeiten mit dem guten Gefühl beenden, dass die Jungs von den Black Rocks es wohl tatsächlich schaffen werden, ihre Spuren – in Form von Nachkommen – im Mara Gebiet zu hinterlassen.